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Franz Schneider

seileis

Rose Stach seileis still

Schmerz, Abhängigkeit und latente Gewalt schwingen im Glockenseil, welches in Rose Stachs Videoloop scheinbar ohne äußeren Anlass zu tänzeln beginnt, sich aufschaukelt, auf den Boden peitscht und langsam wieder zur Ruhe kommt – bevor es sich erneut zum Klang von Kirchenglocken in Bewegung setzt. Aus welchem Anlass diese läuten – Geburt, Initiation, Hochzeit, Tod – bleibt offen; immer sind es jedenfalls Situationen, welche traditionell den Weg der Identitätssuche rituell begleiten  und bestimmen – und damit auch alte Muster weiter vermitteln. Die wichtigste Botschaft findet sich im semantischen Spiel des Titels: ´seileis´ / ´sei leise´ : es verweist auf die Kältekammer von Beziehungshöllen, in der den Menschen oft nur ein kulturell tradierter Auftrag bleibt, den sie, für Außenstehende oft unverständlich lange, folgsam erfüllen: zu schweigen.

Franz Schneider, Neue Galerie Landshut

 

„Bombenteppich“

Kaum ein Einrichtungsgegenstand steht so sinnbildlich für behagliche Häuslichkeit wie der Teppich. Er kennzeichnet den vom öffentlichen Raum klar getrennten Bereich des Hauses, die Schutzzone des vertrauten Umgangs, er bildet das Repräsentationsobjekt gediegener Bürgerlichkeit und bietet sich an als nachgiebiges Gefährt für die Flüge ungebundener Gedanken.

Rose Stach dient er als Grundlage für ihre Serie der War Carpets. Sie verfährt mit ihm allerdings auf unerhörte Weise: Sie überzieht ihn großflächig mit tiefschwarzer Farbe und verdeckt so seine delikaten Muster, seine floralen Ornamente. Doch gerade im Zudecken kommt das Verborgene umso deutlicher zum Vorschein: Die Silhouetten der wenigen freien Stellen formen Kriegswerkzeug – Hubschrauber, Panzer, Bombenflugzeuge oder Schnellfeuerwaffen.

Rose Stach konfrontiert uns mit unserem Blick: Gerne wollen wir alles Dunkle, was im Kontext dieses Teppichs steht, ausblenden. Gerade dadurch aber leuchten die Umrisse von Gewalt und Zerstörung um so greller. Doch umgekehrt gelingt es auch nicht, die Welt durchgehend schwarz zu malen: Die filigranen Arabesken durchdringen immer wieder das glatte Schwarz der Oberfläche, tauchen aus den Kratern der Silhouetten und beharren auf der unzerstörbaren Kraft der Schönheit.

Franz Schneider, Kurator der Ausstellung „TISSUE-Verdichtete Zeit“,  Große Rathausgalerie Landshut

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