Bedrohliche Bildsequenzen von Demonstrationen auf einen heimeligen Orientteppich projiziert: Mit der kontrastreichen Arbeit „Resistance“ hat Rose Stach die diesjährige Buronale gewonnen.
Kaufbeuren
Die Haupttage des elften Kaufbeurer Autorenfilm-Festivals „Filmzeit“ liegen noch in der Zukunft (siehe Info-Kasten), da nimmt die Münchner Künstlerin Rose Stach die ersten Festivalgäste zunächst mit in die aufgewühlte Gegenwart und in die düstere Vergangenheit. Zum Auftakt der Filmzeit erhielt sie den mit 1000 Euro dotierten Buronale-Videokunstpreis für ihre Arbeit „Resistance“. Zum Preis gehört außerdem die Möglichkeit, im Kaufbeurer Stadtmuseum auszustellen – und ihre Schau mit dem Titel „Woven Memories“ nutzt Stach, um die Betrachter raffiniert zu verstören.
Nach 2016 vergibt die Filmzeit heuer zum zweiten Mal den Buronale-Videokunstpreis. Bereits im Vorfeld des Festivals hatten Stadtmuseums-Chefin Petra Weber und der künstlerische Festivalleiter Roman Harasymiw Ausschau nach preiswürdigen Arbeiten in der Videokunst-Szene gehalten – und stießen auf Stachs bereits 2013 entstandenes Werk „Restistance“. Bei der Videoinstallation werden Szenen von Demonstrationen auf einen Orientteppich projiziert. Die von Stach aus dem Internet beschafften und bearbeiteten Videosequenzen dokumentieren die Proteste gegen die Atommülltransporte nach Gorleben, gegen Stuttgart 21 sowie die Demonstrationen 2013 im Gezi-Park in Istanbul. Ähnlich einem Kippbild springt das Auge des Betrachters zwischen den Szenen und dem textilen Muster hin und her. Dabei schaffen die Bilder und verfremdeten Töne von gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Staatsmacht einen scharfen Kontrast zum Teppich als Projektionsfläche. Wird Letzterer doch mit häuslicher Idylle und Gemütlichkeit assoziiert. Die Jury lobt das Werk zurecht als „wirkungsvoll“ und gleichzeitig „künstlerisch ästhetisch“. Stach thematisiert mit „Resistance“ das altbekannte und doch hochaktuelle Thema Meinungs- und Demonstrationsfreiheit. Jüngste Bilder aus den Protestcamps im Hambacher Forst hätten sich nahtlos eingefügt.
Die weiteren audiovisuellen Werke in „Woven Memories“ widmen sich in ähnlich perfektionierter und den Betrachter aufwühlender Weise der NS-Zeit und ihren Verbrechen. „Ich wasche meine Hände in Unschuld“(2013/2014) besteht aus mehreren blitzsauberen und ordentlich aufgehängten Handtüchern, in deren Stoff seltsam ausgefranste Ziffern eingewebt sind. Es handelt sich um Reproduktionen von Kenn-Nummern, die KZ-Häftlingen in die Arme tätowiert wurden. Die historische Filmaufnahme der Abfahrt eines Deportationszuges in ein Vernichtungslager hat Stach in „Choices“ (2014) beklemmend verfremdet und vertont. Dem Zuschauer stellt sich ganz automatisch die Frage: Hätte ich damals die Türen der Viehwaggons geöffnet oder verriegelt?
Bei der Preisverleihung mahnte die 1964 geborene Stach, die an der Schmuckfachschule in Kaufbeuren/Neugablonz eine Ausbildung zur Silberschmiedin absolviert hat, zur Wachsamkeit. Gerade jetzt sei es wieder wichtig, Lehren aus der (deutschen) Geschichte zu ziehen und als mündige Bürger die Werte der Demokratie hochzuhalten.
Die Ausstellung ist noch bis Sonntag, 7. Oktober, im Stadtmuseum Kaufbeuren zu sehen. Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags 10 bis 17 Uhr.
Armenien: Ausstellung „Krokodile am Ararat“
Sonntagsblatt 4.2.2018
Armenien als Reiseziel: Die Künstler Erol Gurian, Anna Maria Eichlinger, Florian Buddeberg und Rose Stach haben das Land besucht und Kunstwerke aus ihren Erlebnissen geschaffen, die bis 24. Februar in München zu sehen sind.
Rose Stach hat zwei Plüschmöbel und einen Cafétisch in die edle Galerie für Angewandte Kunst in München gestellt. Wer aber denkt, er könne sich gemütlich hinsetzen, irrt: Die Kunstinstallation mit dem Titel „Klub Ararat“ spielt auf die Geschichte eines ganzen Volkes an. Denn die Möbel wurden von der Künstlerin mit kleinen Fotografien und diversen Gegenständen vom Flohmarkt in Jerewan beklebt, die an die dramatischen Ereignisse der Vertreibung und Vernichtung der Armenier im Osmanischen Reich erinnern lassen – und einen Bogen schaffen zu den Geflüchteten, die sich in Deutschland in einer fremden Welt zurechtfinden müssen.
Die Idee zu diesem Kunstwerk kam der Künstlerin Rose Stach während einer Reise nach Armenien, die sie zusammen mit dem Fotografen Erol Gurian, der Goldschmiedin Anna Maria Eichlinger und dem Schmuckkünstler Florian Buddeberg machte. Gemeinsam suchten sie nach dem Armenien, das sie persönlich bewegte, nach Farben, Formen, Gegenständen und Situationen, die später in ihren Arbeiten aufgehen sollten. Die Ergebnisse dieser künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Land sind bis 24. Februar 2018 in der Galerie des Münchner Kunstgewerbevereins in der Pacellistraße 6-10 zu sehen.
Der Fotograf Erol Gurian zeigt großformatige Sehnsuchtsbilder. Gleich am Eingang der Galerie hängt ein Panorama: Aus der Vogelperspektive blickt der Betrachter in ein weites Tal, über dem ein heller Wolkenschleier liegt, im Hintergrund ruht der mächtige Berg Ararat, entrückt und fern.
Es gibt wohl keinen Armenier, der nicht ein Bild vom heiligen Berg Noahs in seiner Wohnung hängen hat, und so wirkt das Foto, das im Eingangsbereich hängt, auch wie ein Statement. Der Lyriker Hovhannes Grigoryan beschreibt dieses Gefühl mit einem Gedicht, das im Katalog abgedruckt ist und mit den Worten beginnt „Armenien – das ist mein Land, von solchem Ausmaß, dass ich es mitnehmen kann, wenn ich verreise in ein fernes Land.“
Viel haben die Künstler mitgenommen. Erol Gurian, der Sohn eines armenischen Vaters und einer ungarischen Mutter, kam 1964 in München zur Welt. Die Reise nach Armenien war für den Fotografen somit auch die Suche nach den eigenen Wurzeln und die Frage, was „in mir armenisch ist“, wie Gurian erklärt.
Die Fotografien der Ausstellung zeigen deshalb nicht nur Landschaften, sondern auch einfühlsame Porträtfotos von Menschen in der Stadt oder bei der Feldarbeit. Häufig korrespondieren die Fotografien mit den Werken der anderen Künstler. Unter dem Bild eines Mannes, der mühselig runde Mispeln von einem Baum pflückt, präsentiert Anna Maria Eichlinger in einer Vitrine eine eine Kette. Die Goldschmiedin hat Mispeln wie Perlen an einer roten Schnur aufzogen und mit einem silbernen Verschluss versehen, der mit seiner Achterform an den unendlichen Zyklus der Natur erinnert.
Der Blick auf die Grenzzäune und Wachposten am Berg Ararat inspirierte die Künstlerin zu bizarren Ohrringen: Mit Draht umwickelte sie armenisches Lavagestein, Quarz und Granatapfelkerne. Am Ohr baumeln nun kleine Schatzkästchen der Erinnerung an ein fernes Land.
Armenische Apostolische Kirche als Inspirationsquelle
In der Ausstellung sind die Anleihen an die christliche Kultur offensichtlich und naheliegend. Denn die armenische Kirche gehört zu den ältesten Staatskirchen der Welt. Der Überlieferung zufolge zogen die Apostel Judas und Bartholomäus im ersten Jahrhundert durch das Land, um zu predigen und christliche Gemeinden zu gründen. Die orientalisch-orthodoxe Tradition prägt das Land bis heute: Mehr als 90 Prozent der Bevölkerung gehören der Armenischen Apostolischen Kirche an.
Florian Buddeberg macht Broschen und Anhänger
Die christliche Ornamentik inspirierte den Schmuckkünstler Florian Buddeberg zu einer Reihe von Broschen und Anhängern. Aus einem emaillierten Anhänger starren zwei Augen auf den Betrachter – sie symbolisieren den Blick Noahas auf die armenische Landschaft. In anderen Vitrinen hat Buddeberg glänzende Objekte aus Bronze geschaffen, die die Formenwelt der armenischen Kirchen und Klöster aufnehmen. Erst beim zweiten Blick wird deutlich, dass auch mal eine Fahrradklingel genommen wurde als Model für die Kuppel.
Diese Art der Irritation gehört zum Konzept der Ausstellung. Besonders deutlich wird dies bei einem zentralen Stück, einem schwarzen Wandbehang, auf dem die Zahl 1915 prangt. Wer genauer hinschaut, erkennt, dass die Zahlen die Form einer Waffe haben: Die Eins ist eine Flinte, die Neun ein Galgenstrick, die Fünf besteht aus Axt und Säbel. Die sorgfältig gewobenen Kelims werden zum „War Carpet“ – und zum Mahnmal für den Frieden.
Filmabend: Donnerstag, 8. Februar 2018, 18 bis 20 Uhr »The Colour Of Pomegranates« von Sergei Paradjanov
Ausstellungsdauer „Krokodile am Ararat“: 19.01. – 24.02.2018
Die Galerie für Angewandte Kunst wurde 1992 mit dem Ziel gegründet, den Stellenwert der Angewandten Kunst im künstlerischen Schaffen unserer Zeit bewusst zu machen. Die Galerie dient mit ihren jährlich acht Ausstellungen als Forum, um sich mit den verschiedenen Positionen und Richtungen des zeitgenössischen Kunsthandwerks auseinanderzusetzen. Ein Höhepunkt im Jahr ist die Jahresausstellung der Mitglieder, hier werden in einer umfassenden Schau die neuesten Arbeiten der Vereinsmitglieder vorgestellt.
Öffnungszeiten: Mo – Sa von 10 bis 18 Uhr
Süddeutsche Zeitung_SZ Extra_ In Hülle und Stille_Woche von 7. bis 13.Dezember 2017
OVB 19.01.18
Die Brüchigkeit von Identitäten
Ausschnittaus der Installation „Transiston“ (Adidal Abou-Chamat).
Rosenheim – Über 80 Besucher waren in die Städtische Galerie gekommen, wo die Künstlerinnen Adidal Abou-Chamat, Jutta Burkhardt und Rose Stach im Gespräch mit Kunstphilosophin Claudia Fischer ihre Gedanken zur aktuellen Ausstellung „Broken Lines“ austauschten.
Die Künstlerinnen wollen mit ihrer Ausstellung die Brüchigkeit und Uneindeutigkeit vermeintlich unumstößlicher Wahrheiten und linearer Erzählungen insbesondere in Bezug auf geschlechtliche, kulturelle sowie ethnische Identitäten aufzeigen. So fanden die drei Münchnerinnen bereits vor einigen Jahren zueinander, als sie sich alle drei gleichzeitig, aber doch völlig verschieden, mit der Konstituierung weiblicher Klischees und Rollenbilder beschäftigten. Die aktuelle Ausstellung greift jedoch weit über Geschlechterproblematiken hinaus. Im Zentrum steht vielmehr die Frage, wie Krieg, Rassismus, Sexismus, Terror und Gewalt auf die Herausbildung unseres Selbstverständnisses sowie unsere Wahrnehmungsweise des Anderen einwirken.
In emotional eindrücklicher, manchmal erdrückender Weise verwischen die Collagen, Fotografien, Videoperformances, Zeichnungen und Installationen vor dem Auge der Betrachter die vermeintlich klare Trennlinie zwischen dem Selbst und einem kulturell anderen, zwischen Männlichkeit und Weiblichkeit, Orient und Okzident, Täter und Opfer, Krieg dort draußen und Frieden daheim. „Broken Lines“ ist Kunst, die nicht gefallen will, sondern verwirrt und irritiert, um Gedanken anzustoßen und dabei eindimensionalen Sichtweisen mit vielfältigen, auch widersprüchlichen Bildern begegnet.
„Verstörend, beklemmend, kraftvoll und … wichtig!“, resümiert etwa eine Besucherin aus München im Gästebuch. „Die Ausstellung hat mich dazu gebracht, einmal wieder über den eigenen Tellerrand zu schauen. Ich habe mir Fragen gestellt, die ich mir zuvor nie gestellt habe“, heißt es an anderere Stelle. Und weiter: „Eine eindrückliche, visuelle Verarbeitung aktueller Probleme.“
Bis einschließlich Sonntag, 21. Januar, besteht noch Gelegenheit, die Ausstellung zu besuchen. Geöffnet heute, Freitag, 10 bis 17 Uhr, sowie Samstag und Sonntag, 13 bis 17 Uhr.
Kunst, die aufrüttelt
Die Installation „Transition“ von Adidal Abou-Chamat mit 17 Einzelarbeiten. FOTO JACOBI
Ausstellung „Broken Lines“ mit Arbeiten von Adidal Abou-Chamat, Jutta Burkhardt und Rose Stach
VON RAIMUND FEICHTNER
Rosenheim – Verschleierte Balletttänzerinnen, Fliegerbomber und Pistolen auf Orienteppichen und Kissen, barbusige Frauen mit Brusthaar, Handtücher mit KZ-Nummern, ein Film, in dem der Abtransport im Viehwaggon von Juden ins KZ gezeigt wird: Die Ausstellung „Broken Lines“ in der Städtischen Galerie, in der Arbeiten von Adidal Abou-Chamat, Jutta Burkhardt und Rose Stach zu sehen sind, scheint ganz und gar nicht in die Advents- und Weihnachtszeit zu passen.
Die drei Künstlerinnen sind schon seit Jahren Teilnehmerinnen in den Jahresausstellungen des Kunstvereins Rosenheim und wurden in der Städtischen Galerie jetzt erstmals in einer gemeinsamen Schau zusammengeführt. Einige der Arbeiten waren deshalb auch schon im Laufe der Jahre in der Galerie zu sehen und haben zum Staunen, zur Verwunderung oder zur Bewunderung Anlass gegeben. In der klug zusammengestellten Ausstellung erzielen sie im Zusammentreffen noch weitaus größere Wirkung. Der Betrachter wird überrascht, verwirrt, verstört, provoziert, schockiert, verunsichert, überfordert, aber manchmal auch erheitert. Er begegnet Kunst, die fordert, die aufrüttelt, Stellung bezieht, nachdenklich macht und nicht einfach konsumierbar oder mit kunstästhetischen Kriterien zu messen ist.
In Foto- und Videoarbeiten, Installationen und Zeichnungen untersuchen die drei Künstlerinnen auf unterschiedliche Weise ethnische, kulturelle und geschlechtliche Identitäten. Sie zeigen wie veränderbar, brüchig und verletzlich Identität sein kann. Sie zeigen, wie Lebenslinien brüchig sind und gebrochen werden. Sie zeigen Vorurteile und Klischees. Sie zeigen, welche Folgen Intoleranz, Ablehnung und Ausgrenzung haben. Sie zeigen Krieg und Gewalt, Rassismus und Sexismus, Flucht und Vertreibung. Sie bringen dazu, die eigenen Ansichten zu überdenken.
Die Installation „Transition“ von Adidal Abou-Chamat nimmt die große Wand im großen Saal der Galerie ein. Mit Fotos, Leuchtkästen, Zeichnungen und Objekten macht die in München geborene Künstlerin und Ethnologin in 17 Arbeiten Identität und Identitätsfindung zum Thema. Rose Stach hat hier aus Sandsäcken einen „Schutzwall“ zum Nebenraum aufgebaut. Jutta Burkhardt stellt davor in einer Vitrine fünf Knäuel mit „ausgefallenem Künstlerhaar“ aus, das sie von 2006 bis Februar 2017 gesammelt hat.
Die verschiedenen Rollenbilder beschäftigen Adidal Abou-Chamat auch auf Grund ihrer Herkunft. Ihr Vater war ein syrischer Widerstandskämpfer, der 1941 zur Offiziersausbildung in der Wehrmacht vom Großmufti von Jerusalem nach Nazi-Deutschland geschickt wurde. Ihrem Vater hat sie eine große Installation unter dem Titel „Rites of Passage“ gewidmet. Überzeugend ist das Video und sind die Fotos „Dreaming of…“ einer ganzkörperverschleierten Balletttänzerin und die Videoarbeit „Ver-wicklung“ in der eine Frau sich auf verschiedenste Weise ein Koptuch umlegt. Unter anderem bindet sie sich damit auch den Mund zu.
Klischees von Weiblichkeit
Klischees von Weiblichkeit und Geschlechterrollen sind das Thema der Schweizerin Jutta Burkhardt. Sie führt in ihren Tuschezeichnungen und wandgroßen Installationen die Betrachtenden an die Abgründe des Alltäglichen. Mit ironischer Überzeichnung von Klischees wie etwa dem weiblichen Narzissmus entlarvt sie die Risse im Regelwerk der Konventionen, wenn sie in den digitalen Fotoprints „Toison d’or“ Haare auf der Frauenbrust sprießen lässt oder Haare die Rücknaht eines Damenstrumpfes bilden. Ganz anders sind Burkhards fotografische Stillleben mit Zikaden. Aber auch hier ist die Identität des sich verpuppenden Insekts das Thema.
Am eindringlichsten weisen die Arbeiten von Rose Stach auf Krieg, politische Gewalt und Rassismus hin. Die Münchner Künstlerin zeigt alltägliche Gegenstände in neuen Zusammenhängen und erzählt damit dramatische Geschichten. Aus einem Orientteppich macht sie dem Titel entsprechend einen „Bombenteppich“, wenn sie im Cut-Out-Verfahren aus dem schwarz übermalten Teppich einen Flieger mit fallenden Bomben hervortreten lässt. Auf Kissen erscheinen Pistolen und Gewehre („Under my pillow“). Schöne Wolkengebilde stellen sich als Staubwolken von Bombardierungen heraus („Clouds“). In Handtücher hat sie die Zahlentätowierungen von KZ-Häftlingen eingewebt und den Titel „Ich wasche meine Hände in Unschuld“ gegeben. Tief betroffen macht die Videoarbeit „Choices“. Es zeigt eines der seltenen Filmdokumente, in denen Juden zum Abtransport ins KZ in Viehwaggons verladen werden. Der Soldat schließt die Türe, der Zug fährt ab. Dann aber lässt die Künstlerin den Film rückwärts laufen. Der Zug fährt ein. Der Soldat öffnet die Tür. Die Gefangenen können aussteigen!
Diese Szene und die Ausstellung passen doch in diese Zeit zum christlichen Weihnachtsfest, das im Grunde keine gefühlsselige Show ist, sondern durch die Geburt des Kindes in der Krippe auf die Not der Menschen hinweist und Friede auf Erden den Menschen verheißt.
Zur Ausstellung begleitend findet am Samstag, 13. Januar, um 15 Uhr ein Künstlergespräch mit den Künstlerinnen und der Kunstphilosophin Claudia Fischer statt. Anmeldung unter Telefon 08031/ 3651447 oder Internet: staedtische-galerie@rosenheim. Öffnungszeiten sind dienstags bis freitags von 10 bis 17 Uhr, samstags und sonntags von 13 bis 17 Uhr. Montags am 24., 25., 26. und 31. Dezember sowie am 1. Januar ist geschlossen.
OVB
11.12.17
STÄDTISCHE GALERIE
Politisch brisante Bilder und Objekte
Bei der Eröffnung der neuen Ausstellung:(von links) Oberbürgermeisterin Gabriele Bauer, Galerieleiterin Monika Hauser-Mair, die Künstlerinnen Rose Stach und Adidal Abou-Chamat, Kunstphilosophin Claudia Fischer und Künstlerin Jutta Burkhardt. Foto: Martin Weiand
Rosenheim – In der Städtischen Galerie wurde die Ausstellung „Broken Lines“ eröffnet – eine Ausstellung, die sich auf künstlerische Weise einem der herausforderndsten Themen unserer Zeit nähert: den Auswirkungen von Fremden- und Frauenfeindlichkeit, von Krieg, Gewalt, Flucht und Vertreibung.
Die drei Künstlerinnen Adidal Abou-Chamat, Jutta Burkhardt und Rose Stach haben sich in Rosenheim zusammengefunden, um mit ihren Werken die Besucher zum Nachdenken anzuregen.
Süddeutsche Zeitung_SZ Extra_ In Hülle und Stille_Woche von 7. bis 13.Dezember 2017
„Was macht das alles mit den Menschen?“
Oberbürgermeisterin Gabriele Bauer wies in ihrer Begrüßung darauf hin, dass es dabei nicht nur um die Auswirkungen in materieller Hinsicht gehe, wie ganz praktische Probleme des Alltags wie Essen, Wohnen oder Kleidung. „Vielmehr müssen wir auch einmal innehalten und uns fragen: Was macht das alles mit den Menschen? In welcher Weise wirken Vorurteile, Klischees, Terror und Gewalt auf die Seele, die Selbst- und Fremdwahrnehmung der unmittelbar Betroffenen – aber auch auf uns, die wir hier in und um Rosenheim in relativer Sicherheit leben, auf uns und unser Selbstverständnis als moderne und weltoffene Stadtgesellschaft.“
Die Münchner Kunstphilosophin Claudia Fischer führte in die Ausstellung „Broken Lines“ ein. Die Präsentation zeigt nun bis 21. Januar 2018 politisch brisante Bilder, Objekte und Installationen, die aus der eigenen Komfortzone locken. In kreativer Weise zwingen die Künstlerinnen zur Auseinandersetzung mit den vielfältigen, allgegenwärtigen Formen von Rassismus, Sexismus und politisch motivierter Gewalt. re
OVB 06.12.17
STÄDTISCHE GALERIE
„Broken Lines“
Rosenheim – Mit der Ausstellung „Broken Lines – Adidal Abou-Chamat, Jutta Burkhardt-Rose Stach“ nähert sich die Städtische Galerie vom 8. Dezember bis zum 21. Januar in künstlerischer Weise den zwischenmenschlichen Folgen dessen, was derzeit um uns herum geschieht: Wie wirken Krieg, Gewalt, Fremden- und Frauenfeindlichkeit, Flucht und Vertreibung auf die Selbst- und Fremdwahrnehmungen der Betroffenen?
Im Mittelpunkt der Ausstellung steht die Konstruktion, Wirkmächtigkeit, aber eben auch Brüchigkeit kultureller, ethnischer und geschlechtlicher Identitäten und damit verbundener Machtstrukturen.
Zur Eröffnung am Donnerstag, 7. Dezember 2017, 19 Uhr, sprechen Oberbürgermeisterin Gabriele Bauer und die Münchner Kunstphilosophin Claudia Fischer.
Verschleierte Balletttänzerinnen, Fliegerbomber statt Floralmuster auf dem Orientteppich oder barbusige Frauen mit Brusthaar – die Ausstellung verwirrt, schockiert, verunsichert und überrascht, denn nichts ist hier unmittelbar das, was es auf den ersten Blick scheint. „Diese Ausstellung tut an vielen Stellen weh, aber genau deshalb ist sie so wichtig“, betont Galeriechefin Monika Hauser-Mair. Mit den vielfältigen Mitteln der Kunst offenbaren die Künstlerinnen Adidal Abou-Chamat, Jutta Burkhardt-Rose Stach die soziokulturellen Folgen von Krieg und Gewalt, Rassismus und Sexismus, Flucht und Vertreibung.
Begleitend findet am Samstag, 13. Januar, 15 Uhr ein Künstlergespräch statt. Beim Gang durch die Ausstellung ermöglichen die Künstlerinnen im Gespräch mit der Kunstphilosophin Claudia Fischer Einblicke in ihre Arbeiten. Anmeldung unter Telefon 0 80 31/3 65 14 47 oder Internet: staedtische-galerie@rosenheim. Öffnungszeiten sind dienstags bis freitags von 10 bis 17 Uhr, samstags und sonntags von 13 bis 17 Uhr. Montags, am 24., 25., 26. und 31. Dezember sowie am 1. Januar ist geschlossen.
Textilkunst International Ausgabe 01/2017
Autorin: Dr. Cornelia von Detten
Gabriele Münter Preis 2017
… Es gibt auch hier interessante Positionen, wie bspw. die kinetische Stahlplastik “Karriereleiter” von Anja Luithle. In dieser Arbeit werden rote Absatzschuhe, stellvertretend für die Frau, an einem mechanischen Seilzug nach oben befördert. Oben angekommen stürzen sie ab und Knallen mit einem lauten Geräusch auf die unterste Ebene. Der Prozess beginnt von vorne und endet wieder im Absturz – eine Sisyphos-Arbeit. Oder direkt gegenüber das Bild von Rose Stach. Die Künstlerin hat einen orientalischen Teppich schwarz übermalt und lässt dabei die Konturen eines Panzers übrig. Die Arbeit scheint in den Ausstellungsräumen der Akademie der Künste mit dem Knall der Absatzschuhe von Anja Luithle zu kommunizieren und lebendig zu werden.
Viele Werke sprechen hochaktuelle Themen an, berühren Traumata und gesellschaftliche Bekenntnisse, wollen Etwas verändern. Und ein Schritt zur Veränderung in der Kunstlandschaft ist die Vergabe des Gabriele Münter Preises selbst.
Im Bilde, Fachzeitschrift Berufsverband Bildender Künstler, 3/2016, S.1
DIZdigital: Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Entspannter Blick
Die Münchner Rathausgalerie zeigt, wie sich das Frauenbild über die Jahrhunderte verändert hat. Hier ein Foto von Rose Stach: „Partygirls“ in Cannes.
Die Ausstellung „Idol+“ beschäftigt sich mit den verschiedenen Rollenbildern der Frau in der feministischen Kunst und schaut dabei auch 50 Jahre zurück
Von Evelyn Vogel
Als Nina Hagen Ende der Siebzigerjahre in einem ihrer Lieder lautstark fragte: „Warum soll ich meine Pflicht als Frau erfüllen?“ und behauptete: „Vor dem ersten Kinderschrei’n, muss ich mich erst mal selbst befrei’n“, war das auch Ausdruck eines neuen Selbstbewusstseins der Frau. Kinder, Küche, Kirche gehörten zwar noch nicht wirklich der Vergangenheit an, aber erste Schritte in Richtung Selbstbestimmung waren gemacht. Dazu bei trugen nicht nur Hippie-Flower-Power, Pille und freie Liebe, sondern auch Frauen, die sich in den Sechziger- und Siebzigerjahren in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens engagierten und öffentlich Position bezogen, anstatt sich hinter dem Herd zu verstecken.
Auch in der Kunst, wo wie fast überall Männer das Sagen hatten, bezogen sie Position – oft, indem sie in den öffentlichen Raum hinein wirkten. Die feministische Kunst der Siebzigerjahre brachte nicht umsonst so viele Performancekünstlerinnen hervor. Nicht selten machten diese dabei ihren Körper zum Teil ihrer Kunst. Eines der bekanntest Beispiele jener Zeit ist Valie Export mit ihrem Tapp- und Tastkino, der die Männer gierig zuhauf auf den Leim gingen.
Um Positionen zeitgenössischer feministischer Kunst geht es in der Ausstellung „Idol+“, die die Gedok München zusammen mit dem Künstlerhaus Wien und der Rathausgalerie auf die Beine gestellt hat. Zu sehen sind Arbeiten von 21 Künstlerinnen, die sich mit dem Selbstbild der Frau und Entwürfen weiblicher Identität auseinandersetzen. Radikal feministische Positionen wie vor Jahrzehnten sind nicht dabei. Vielleicht die Folge eines gestiegenen Selbstbewusstseins. Feministische Kunst heute muss nicht verbissen agieren, sie kann auch mit sehr viel Selbstironie mit weiblichen Rollenbildern umgehen.
So sind einige vielschichtige und hintersinnige, zugleich aber auch ungemein witzige Arbeiten in der Ausstellung zu entdecken. Die meisten stammen aus den vergangenen zehn Jahren. Eine Ausnahme stellt Maria Lassnigs kurzer Zeichentrickfilm „Selfportrait“ von 1971 dar – eine frühe Arbeit, in der sie sich mit ihrer eigenen Rolle als Frau auseinandersetzte. In Malerei, Zeichnung, Collage, Fotografie, Videoarbeit, Skulptur und Installation hinterfragen vorallem die jüngeren Künstlerinnen klassische Klischees und moderne Stereotypen.
Zu den nachdenklicheren gehören die Schwarz-Weiß-Fotografien von Cirenaica Moreira, die, ohne auf Schockeffekte zu setzen, Themen wie Misshandlung, Vergewaltigung und Kindesmissbrauch thematisiert. Raffiniert mit männlicher und weiblicher Erwartungshaltung und körperlicher Optimierungssucht spielt Birthe Blauth in ihren Sound- und Videoinstallationen. „Die 4 Grazien“, eine Gruppe aus Wien, die sich ohne Publikum performativ in Szene setzt, nehmen die Geschlechterrollen mit viel Witz aufs Korn.
Ina Loitzl reflektiert in ihrer skurrilen Video-Animation auch ein Stück feministischer Kunstgeschichte, ebenso wie Dörthe Bäumer mit ihrer Hommage an Ana Mendieta. Rose Stach erforscht mit ihren „Partygirls“ normierte weibliche Rollenbilder in verschiedenen Kulturkreisen und stößt dabei ähnlich wie Sabine Groschup mit den „Sweet Ladies“ Assoziationen an, wie sie noch vor der Jahrtausendwende nicht eingesetzt hätten, als muslimische Werte noch geringer in unserem westlichen Denken präsent waren.
Noch mehr interessante, aber auch einige schwächere Positionen sind in der Ausstellung zu sehen, die Idole hinterfragt, ohne neue zu schaffen. Genug des Schubladendenkens! Trotz der Fülle wirkt die Schau, die luftig um den plätschernden Brunnen gruppiert ist, nicht überfrachtet. In einer Vitrine werden zudem kleinformatige prähistorische Objekte gezeigt, die die Weiblichkeit und damit auch fast immer die Mütterlichkeit mit üppigen Brüsten, gewaltigen Schenkeln und breiten Becken verehren. Der Brückenschlag vom Damals zum Heute gelingt nur bedingt. Man hätte auf die Objekte auch verzichten können.
In jedem Fall kann man angesichts der Ausstellung „Idol+“ in Nina Hagens Beschwörung einstimmen: „Augenblicklich fühl‘ ich mich: unbeschreiblich weiblich“.
Idol+, Rathausgalerie, Marienplatz 8, bis 5. September, Di-So 11-19 Uhr. Konzert-Performance „Kunst oder Unfall“ mit Augusta Laar, Kalle Laar und Herbert Nauderer: Fr, 31. Juli, 20.30 Uhr
Rose Stach und Lena Policzka stellen in der Schalterhalle des Bahnhofs ihre „War Carpets“ und eine Installation aus, die scheinbar künstliches Leben in Glaszylindern zeigt
Von Katja Sebald, Starnberg
Heitere Miene zum irritierenden Spiel: Rose Stach (links) und Lena Policzka bilden Schrecken der Gegenwart auf ihre Weise ab.
Künstliches Leben oder sterbende Tiere? Medizinischer Fortschritt oder Frankensteins Gruselkabinett? Atmende Mollusken oder gärende Masse? Wachsende Embryonen oder doch nur schmelzendes Sahneeis? Im vergangenen Jahr war Lena Policzka mit ihrem fulminanten Versuchslabor der Star der Jahresausstellung in der Münchner Akademie der Bildenden Künste. Jetzt ist ihre Abschlussarbeit „250 Gramm Optimatics“ zusammen mit den „War Carpets“ von Rose Stach in der Reihe „Nah – fern“ in der Schalterhalle des historischen Bahnhofs am See zu sehen. Entstanden ist eine Ausstellung, die unter dem Titel „Werden und Vergehen“ eindrucksvoll unter Beweis stellt, dass Kunst nicht nur auf dem großen Parkett, sondern auch im kleinen Rahmen auf drängende Fragen der Gegenwart reagieren kann.
(…) Verstörend sind auch die „War Carpets“ von Rose Stach an den Wänden des abgedunkelten Raums: Auf kunstvoll geknüpften Orientteppichen wurde mittels Negativschablonen ein Großteil der Fläche schwarz abgedeckt, als Motive bleiben Panzer, Geschütze oder Maschinengewehre sichtbar. So entsteht ein spannendes Verwirrspiel zwischen Bild und Bildgrund, denn das überaus dekorative Ornament des Teppichs dient jetzt als Camouflage für das martialische Kriegsgerät, der eigentlich schmückende Teppich wird zur bedrohlich schwarzen Kriegshölle. Der Teppich gehört doch ins Wohnzimmer und der Panzer nicht auf den Teppich! Plötzlich findet der Krieg in unseren privatesten Räumen statt – und obendrein werden die Orientteppiche, die seit Jahrhunderten zum Interieur westlichen Wohlstands gehören, auf einmal zu schreienden Symbolen für die aktuellen Krisenherde im Nahen und Mittleren Osten. Vertrautes wird aus seinem Zusammenhang gerissen und uns entgegen unserer Sehgewohnheiten präsentiert. Diesen Kunstgriff wendet Rose Stach auch bei ihren „Clouds“ an: Dabei handelt es sich um übermalte Fotografien, die auf den ersten Blick wie romantische Landschaften wirken und sich erst bei genauerem Hinsehen als Bilder von Gefechtsschau-plätzen offenbaren.
Die Ausstellung „Werden und Vergehen“ im Rahmen der von Katharina Kreye, Ulrike Prusseit und Ursula Steglich-Schaupp kuratierten Reihe „nah – fern“ ist bis 12. Juli 2015 jeweils freitags bis sonntags von 14 bis 18 Uhr zu sehen.
Münchner Merkur / Starnberger Merkur / Kultur vom 13./14. Juni 2015
Starnberg – Warum in die Ferne schweifen, wenn das Aufregende so nah ist? Die neueste Ausstellung „Werden und Vergehen“ in der alten Gepäckhalle des Starnberger Bahnhofs hat Biennale-Qualität. Venedig liegt vor der Haustür. Erkannt haben das auch einige Stadträte, die Bürgermeisterin Eva John für die Vernissage der 20. Ausstellung der Reihe „Nah – Fern“ begeistern konnte und die sichtlich beeindruckt waren von dem gelungenen Zusammenspiel der beiden beteiligten Künstler.
Die Musiker Rupert Bopp und Bernd Detzel schufen mit ihren experimentellen sphärisch angehauchten Klängen den passenden Rahmen für dieses Kunstlabor von Lena Policzka, die unter Glasstürzen 20 Objekte aus Latex atmen lässt (…).
Dazu zeigt die Künstlerin Rose Stach ebenfalls eine Absolventin der der Akademie, Wandteppiche. Man braucht also auch nicht nach Augsburg ins Textilmuseum zu fahren, wo sie sich gerade an der vielbeachteten Ausstellung „Kunst-Stoff“ mit einigen Arbeiten beteiligt. Rose Stach übermalt Perserteppiche, legt Schablonen von Waffen, militärischen Flugzeugen, Bomben auf das bürgerlichste aller Wohnzimmeraccessoires und färbt den freiliegenden Rand der Teppiche schwarz ein. Die zurückbleibenden scherenschnittartigen Formen kriegerischer Flugkörper und Maschinengewehre entlarven als bunte Teppichmuster weicher textiler Flächen die paradiesische Friedlichkeit orientalischer Ornamente als Lug und Trug. Es ist eine plakative Bildsprache, mit der der Betrachter aus seiner gemütlichen Tagesthemenbeschaulichkeit wachgerüttelt wird, denn die Bilder aus den Krisenherden schwappen tagtäglich in jedes Wohnzimmer bürgerlicher Sorglosigkeit, für die der Perserteppich steht. Aber auch hier verschmilzt nah und fern, Außenraum und Innenraum, schließlich ist die gemütlichste Bürgerstube auch eine Konfliktzone.
„Werden – Vergehen“
Die Ausstellung ist bis 12. Juli freitags bis sonntags von 14 bis 18 Uhr geöffnet.
von Astrid Amelungse-Kurth
Münchner Merkur / Starnberger Merkur / Kultur vom 13./14. Juni 2015
Virtuelle Wühltische
Das Augsburger Textil- und Industriemuseum lässt 17 Künstler die Dauerausstellung umgestalten. Der Schwerpunkt liegt auf Medienkunst
Von Yvonne Poppek
Süddeutsche Zeitung vom 08.06.2015
(…) Esther Glück und Rose Stach widmen sich der Gewalt im Nationalsozialismus – und ergänzen an dieser Stelle die historische Auseinandersetzung der Dauerausstellung durch eine kluge, intensive, emotionale Ebene. Glücks „Shaping-Shirts“ – Hemden, gefertigt aus den Blättern vom jüdischen Friedhof in Augsburg und aus dem Schlamm der Eger, die die Asche der Toten aus Theresienstadt mit sich führte – erinnern an die Ermordung der Familie Arnold, die jüdischen Miteigner einer Augsburger Textilfabrik. Zugleich sind die leeren Hemden ein materialisiertes Paradoxon: die künstlerische Gestaltung eines Grauens, das nicht gestaltet werden kann. Dieses Grauen findet sich bei Stach wieder: In ihren blass-blauen Handtüchern, die mit violetten Zahlen bedruckt sind, lässt sich die Tätowierung der KZ-Häftlinge erkennen. „Ich wasche meine Hände in Unschuld“, nennt Stach ihr Projekt, eine stille Mahnung gegen das Vergessen.
Kunst/Stoff, bis 29. Nov., Di. bis So. 9-18 Uhr, Tim Augsburg, Provinostr. 46
Das traut sich nicht jedes Museum – fünf Jahre nach der Eröffnung wagt das Staatliche Textil und Industriemuseum eine kulturelle Positionsbestimmung. 17 zeitgenössische Künstler wurden eingeladen, die Dauerausstellung des Museums zu hinterfragen und zu kommentieren. Entstanden ist eine kunstvolle Intervention.
Auf dem alten Gelände der Augsburger Kammgarnspinnerei zeigt sich derzeit, zu welch fruchtbarem Dialog es kommen kann, wenn Künstlern sowohl Bühne als auch Freiraum gewährt wird. Lichtprojektionen, Verhüllungen, gewebte Stoffe, Videoinstallationen, visuelle Poesie und avantgardistische Teppiche brechen die Dauerausstellung des Landesmuseums auf und lassen den Besucher das Museum neu erleben.
Beeindruckend ist die Aktualität: Die Kunstwerke spürenden Mustern und der Identität der gegenwärtigen Gesellschaft nach und spiegeln politische und soziale Themen, wie Globalisierung, Kapitalismus, Neokolonialismus und soziale Ungleichheit. Provokante Kunst, die unserem globalen Alltag mit Raffinesse und ästhetischen Strategien begegnet. ra
Süddeutsche Zeitung
VON BERTHOLD NEFF
Gräfelfing – Es ist die wohl größte Ausstellung, die je in der Gemeinde zu sehen war. 85 Künstler aus Gräfelfing oder mit einem starken Bezug zum Ort machten zur 1250-Jahr-Feier das gesamte Gemeindegebiet sechs Wochen lang zur Kunstzone mit Werken, die eine große Bandbreite abdeckten. Deshalb war es für die Jury des 3. Gräfelfinger Kunstpreises alles andere als einfach, die Preisträger (vier Haupt- und 5 Anerkennungspreise) zu küren. Deutlich mehr Künstler hätten, wie es die Kunstkreis-Vorsitzende Bettina Kurle bei der Preisverleihung am Mittwochabend im Bürgerhaus formulierte, „eine Anerkennung verdient für ihre engagierte Teilnahme, ihre tolle Idee, ihr überraschendes Konzept, ihre Sachkenntnis und Recherche zu Gräfelfing“. Geeinigt haben sich die Juroren darauf, den mit 3000 Euro dotierten ersten Preis Kathinka Willinek zuzusprechen für ihre Installation „Portrait der Klara Böhmer“, der ersten Frau, die in Bayern (und zwar in Gräfelfing) in den Gemeinderat gewählt wurde. Drei Künstler erhielten zweite Preise (je 1500 Euro), nämlich Hama Lohrmann für seine Landart „Sand-Steine-Rasen-Äste“ an der Tiefgarage des Bürgerhauses, Rose Stach für ihre Fotografien „Ghosthouse“ und „Shadows“…
Doppelbödiges Idyll
Töne, Skulpturen, Licht: Beim Gang durch Gräfelfing stoßen die Besucher auf viele Kunstwerke. Sie regen noch bis zum 31. Juli zum Nachdenken, zum Bewundern und zum Schmunzeln an
VON MARTIN BERNSTEIN
(…) Um Verlust, um Trauer, wenn nur noch Schatten („Shadows“) bleiben, geht es auch Rose Stach. Es ist eines der berührendsten und zugleich unspektakulärsten Werke der Kunstzone. Überall hat sie Abreißzettel angebracht. Zu sehen sind Fotografien einer verlassenen Villa, darunter – auf den schmalen Abreißstreifen, auf denen sonst die Telefonnummern stehen – hat Rose Stach Textfragmente zu Themen wie Sehnsucht und Verlust geschrieben, auch jiddische Begriffe aus unserer Alltagssprache. Abreißen, neu kombinieren, weiterdenken ist ausdrücklich erlaubt. (…)
Süddeutsche Zeitung, Stadtviertel & Landkreis, 12. Juli 2013
Diamantenglimmer
Galerievorschläge zur Besinnung und zum Geschenkerwerb
Wer sich vom Vorweihnachtsstress in verstopften Fußgängerzonen erholen möchte, dem sei ein alternatives Kunstprogramm empfohlen. Da gibt es zum Beispiel im Werkstattstudio/Lothringer 13 eine kleine, aber feine Ausstellung mit Arbeiten der Bildhauerin Rose Stach. Als „Debütantin 2001“ der Gedok München ausgezeichnet, präsentiert sie mit „Bodenverlegung“ eine Auswahl aus ihrem mit Witz und Originalität durchsetzten skulpturalen Werk. Es sind vorgefundene Spuren des alltäglichen Lebens. So findet sich etwa in der Arbeit „Perser“ ein kunstvolles Teppichmuster auf einer teilweise entrollten Velours-Auslegware wieder, in die eine orientalische Brücke samt der in Unordnung geratenen Fransen als Konturen eingeschnitten sind. Oder Profile von Reifenspuren in einem anderen Teppichboden, so plastisch, als hätte das Auto gerade im frischen Schnee rangiert oder ein Radler Schlangenlinien gefahren. Die „Abdrücke“ sind zugleich Spuren und Zeugnis der Handschrift der Künstlerin: Sie hat sie nämlich mi einer nagelschere gewissermaßen in den Velour eingraviert. Auf der zum Bildträger verfremdeten Auslegware erscheinen die Abformungen wie verschlüsselte Ornamente, die Geschichten erzählen von rätselhaften Zeichen unbekannten Urprungs, ähnlich wie man es von mysteriösen Luftaufnahmen kennt (bis 9. Januar). (…)